Rückblick

20.05.2006

Rückblick: IUF Reformgipfel 2006 Berlin

Es ist doch gar nicht so schwer!

So könnte man den Tenor vieler Vorträge auf dem ersten Reformgipfel des Institutes für Unternehmerische Freiheit zusammenfassen. Ungefähr 100 Interessierte aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft hatten den Weg ins Berliner Maritim-Hotel gefunden.

Viele anerkannte Wissenschaftler und erfahrene Praktiker zeigten, dass Deutschland nicht auf Dauer der „kranke Mann Europas“ bleiben muss. Die Reformkonzepte liegen vor und wurden bereits in vielen Ländern erfolgreich praktisch erprobt.

Nachdem Erich Weede schonungslos analysierte, warum Deutschland zum „Patienten“ geworden ist und John Blundell anhand von Lehren aus der Thatcher-Ära zeigte, wie politische Reformen schnell und entschlossen durchgesetzt werden können, ging es in vier Sessionen um das Steuersystem, Altersvorsorge, Gesundheitspolitik und Arbeitsmarkt.

Zu Beginn der Session zur Steuerreform erläuterte Charles B. Blankart die Probleme der deutschen Finanzverfassung: Das System lädt dazu ein, auf Kosten der anderen zu leben. Kompetenzen und finanzielle Zuständigkeiten sind so vermischt, dass klare Verantwortlichkeiten nicht zu erkennen sind. Blankart plädierte für ein klares Trennsystem. Manfred Rose aus Heidelberg stellte das Konzept einer Unternehmenssteuer vor, die eine wichtige Forderung erfüllt: Die Steuerbelastung darf die Investitionsentscheidungen der Unternehmer nicht beeinflussen und infolgedessen verzerren.

Einen spannenden Kontrapunkt zur deutschen Debatte über Reichensteuer und „Steuergerechtigkeit“ setzten schließlich Branko Balaban aus dem Schweizer Kanton Obwalden, der den dort vor kurzem eingeführten, teilweise degressiven Einkommens- und Vermögenssteuertarif erläuterte und Ondrej Socuvka aus der Slowakei, der die positiven Auswirkungen der dortigen Flat Tax auf Wachstum und Beschäftigung darlegte. Socuvka räumte gleichzeitig mit dem Mythos auf, wonach durch eine derartige Steuer die Einnahmen des Staates zurückgehen würden.

Die chilenische Rentenreform, die vollständig auf obligatorische private Vorsorge setzt und inzwischen zum Vorbild für die Politik in zahlreichen Ländern geworden ist, wurde zu Beginn der zweiten Session von Ian Vasquez vom Cato Institute vorgestellt. Anschließend erläuterte Edward Palmer aus Schweden das deutlich „gemäßigtere“ schwedische Modell, das aber ebenfalls zu einem bedeutenden Teil auf individuellen, kapitalgedeckten Vorsorgekonten beruht. Abschließend bewertete Norbert Walter den Stand der Rentenpolitik in Deutschland. Hier hat es größere Fortschritte als auf den anderen Feldern notwendiger Reformen gegeben. Doch muss der Weg hin zu mehr Individualisierung und Kapitaldeckung weitergegangen werden.

Wilfried Prewo, Peter Zweifel und Carlos A. Gebauer, die sich mit der Gesundheitspolitik befassten, waren sich darüber einig, dass auf diesem Gebiet die Staatsgläubigkeit und damit der Reformbedarf in Deutschland immens groß sind. Grundlegende Mechanismen der Marktwirtschaft werden missachtet. Dadurch kommt es zu Fehlanreizen, die zu einem ineffizienten Mitteleinsatz führen und gleichzeitig die großen wirtschaftlichen Chancen zerstören, die es auf diesem Feld gibt. Carlos A. Gebauer bezeichnete das herrschende System der Bevormundung der Patienten und der staatlichen Zuteilung von Leistungen als „Leninismus“ im Gesundheitssystem.

Die Forderung nach mehr Markt und Wettbewerb durchzog auch die Beiträge von Hilmar Schneider und Jason A. Turner zur Reform des Arbeitsmarktes, der bis heute in Deutschland die Bezeichnung „Markt“ ganz zu Unrecht trägt. Vor allem für Geringqualifizierte muss es Möglichkeiten geben, den Einstieg zu finden. Der Staat kann einiges tun, um Menschen dafür zu ertüchtigen und ihnen vor allem die richtigen Anreize zu geben. Üppige staatliche Umverteilung ist dagegen der falsche Weg – sie verschärft das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit und zwingt immer mehr Menschen in Untätigkeit und Unmündigkeit.

Ein Höhepunkt der Veranstaltung war der Vortrag von Andrej Illarionov, dem ehemaligen Wirtschaftsberater der russischen Präsidenten Putin. Er machte deutlich, dass sich das heutige Russland von Demokratie und Marktwirtschaft wegbewegt. Die Reformen der 90er Jahre – sofern sie überhaupt den Stellenwert hatten, der ihnen im Westen zugeschrieben wurde – verlieren immer mehr von ihrer Wirkung. Stattdessen hat eine kleine bürokratische Machtclique das Land fest im Griff.

Was bleibt als Quintessenz? Reformkonzepte liegen vor – doch zu ihrer Durchsetzung muss der Widerstand zahlreicher mächtiger Interessengruppen überwunden werden. Und davon scheint Deutschland in Zeiten der großen Koalition weit entfernt zu sein. Es gibt also noch viel zu tun. Das Institut für unternehmerische Freiheit will zu einem Wandel des öffentlichen Bewusstseins beitragen, der Reformen, die an Wettbewerb und unternehmerischer Initiative orientiert sind, unumgänglich macht. Man kann nur hoffen, das geschieht, bevor Deutschland im internationalen Vergleich noch weiter zurückfällt.