IUF-Reformgipfel 2006: Himmel über Berlin

David Schah, 1.6.2006, ef-magazin Nr.63 Juni 2006 www.ef-magazin.de 

Dass das Institut für Unternehmerische Freiheit (IUF) sich zum führenden marktwirtschaftlichen Think Tank Deutschlandsgemausert hat, stellte es mit dem „IUF Reformgipfel“ am 2. Mai 2006 im Berliner Maritim-Hotel eindrucksvoll unter Beweis. Institutspräsident Oliver Knipping und Geschäftsführer Wolfgang Müller (vormals Friedrich-Naumann-Stiftung) leiteten die Konferenz, bei der über zwanzig Redner aus dem In- und Ausland diverse Konzeptevorstellten, mit deren Hilfe man den kranken Mann Europas wieder heilen könne, wie es ef-Redaktionsbeirat Professor Erich Weede in seiner pointierten Eröffnungsrede ausdrückte. Eine Politik für das Gemeinwohl müsse nämlich sowohl den Konsumenten als auch den Steuerzahlern und der nächsten Generation nutzen. Da verwunderte es nicht,dass die Vorschläge der Referenten weit über die schwarzrotgrünen und auch gelben Reformansätze hinausgingen. In den Referaten ging es jedoch nicht um philosophische Fragen der Freiheit und der Staatsberechtigung, sondern vielmehr um Strategien des Überlebens für das herrschende System. So suggerierte John Blundell vom Institute of Economic Affairs, dass durch die Inspirationen seines Think Tanks in Großbritannien wenigstens das schlimmste verhindert werden konnte, und belegte dies mit ein paar Zahlen wie dem rasanten Anstieg von Aktienbesitz selbst unter Gewerkschaftsmitgliedern während der Thatcher-Ära.

Ondrej Socuvka, Berater des slowakischen Premierministers, berichtete von den segensreichen Wirkungen einer niedrigen Flat-Tax, während das Schweizer Urgestein Branko Balaban das Bewusstsein für die systemimmanente Ungerechtigkeit einer progressiven Steuer schärfte: Er führte im Kanton Obwalden eine degressive Steuer ein und brachte damit einen verstärkten Steuersenkungswettbewerb in anderen Kantonen in Gang.

Ein düsteres Bild von Russlands Weg zurück in die totale Knechtschaft zeichnete der vor einem halben Jahr zurückgetretene Putin-Berater Andrej Illarionow: Die negativen Folgen des russischen Neo-Stamokap-Systems würden lediglich durch den Ölboom verdeckt. Das Wirtschaftswachstum müsste aber eigentlich doppelt so hoch liegen, würde Russland nicht vom „Darvensazismus“ stranguliert, einer Kombination aus verschiedenen ökonomischen Krankheiten, für die Holland (Rohstoffreichtum als Entwicklungshemmnis), Argentinien (staatliche Industriepolitik), Venezuela (Halbverstaatlichung von Öl- und Transportfirmen), Simbabwe (Kontrolle über das öffentliche Leben und Legislative) sowie Saudi-Arabien (staatliche Ölindustrie) Patestanden. Ölpreisbereinigt würde Russland zu einer alternativen G8 der wachstumsschwächsten Länder gehören.

Unter der Moderation von Henning Krumrey vom „Focus“-Magazin berichteten dann Ian Vazquez vom Cato Institute und Edward Palmer von der schwedischen Sozialversicherungsagentur über den Erfolg privater Rentensystemeim Vergleich zum staatlichen Umlageverfahren und Professor Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, legte dar, dass der deutschen „Sozialindustrie“ und dem Rentensystem die grundlegende ökonomische Vernunft des Robinson Crusoe – einwöchiger Fischkonsumverzicht, um in dieser Zeit ein Netz stricken zu können – fehle, und trat für eine zwar verbindlich vorgeschriebene, dafür aber völlig private Altersvorsorge ein.

Wilfried Prewo, Geschäftsführer der IHK Hannover, bemängelte, dass beim deutschen Gesundheitssystem Patienten als Versorgte, nicht aber als Kunden betrachtet würden, die wiederum keine Anreize hätten, Kosten einzusparen. Er zog den Vergleich mit einem Kaufhaus, bei dem die Kunden beim Eintritt zahlen und dann nach Herzenslust „kostenlos“ einkaufen können. Und das Argument mit der Gesundheit als öffentlich bereitzustellender lebenswichtiger Grundversorgung steche auch nicht, zumal andere Grundbedürfnisse wie Kleidung auch ohne staatliche Volkskleiderkammer befriedigt werden können. Als dann ef-Autor Carlos Gebauer noch einen draufsetzte und anschaulich wie humorvoll den Leninismus im deutschen Gesundheitswesen herausdechiffrierte, konnte sich selbst die diesen Themenblock moderierende Karen Horn von der „FAZ“ ein Lächeln nicht verkneifen. Zuguterletzt traten dann noch Hilmar Schneider vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit sowie Jason Turner von der Heritage Foundation für eine weitgehende Deregulierung des Arbeitsmarkts ein.

Leider hatten sich keine Politiker zu dem Gipfel eingefunden, hätten diese sich doch von einem solch geballten Reformpaket ein paar Scheibchen abschneiden können. Dafür war die Presse um so präsenter, so dass der eine oder andere Journalist womöglich um die Erfahrung reicher wurde, dass Reformen sogar noch radikaler und liberaler sein können als die FDP erlaubt. Zu den Höhepunkten der Konferenz gehörte übrigens auch das vorzügliche Mittagessen, zu dem Robert Nef vom Liberalen Institut eine aufmunternde Tischrede hielt, sowie das erstklassige Gipfel-Dinner über den Dächern von Berlin im Restaurant „Solar“, bei dem man die einzelnen Reformer näher kennenlernen und weitere Pläne für die von Bernhard Walpen beschworene libertäre Welthegemonie schmieden konnte.

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